Interview mit Oliver Schwabe und Christian Becker anlässlich
des Kinostarts von EGOSHOOTER, Hamburger Abendblatt, 24.02.2005

"Tom Schilling schlief sogar am Set"
Die Regisseure Oliver Schwabe und Christian Becker über ihren Film



ABENDBLATT: Sie haben sich als Regie-Duo den Namen "Field Recordings" gegeben. Warum?

OLIVER SCHWABE: Weil wir uns einer Jugendkultur angenähert und dabei tatsächlich Feldstudien betrieben haben. Von 1999 bis 2004 sind zahlreiche von mir mit Protagonisten im Alter von 15 bis 25 Jahre gedrehte Videotagebücher im NDR gezeigt worden. Daraus entstand die Idee, diese Befindlichkeit einer Generation in einem Spielfilm zu verdichten. Die Geschichten, die jetzt in "Egoshooter" erzählt werden, sind zumindest ansatzweise in den Videotagebüchern schon mal aufgetaucht, damals aber nicht zu Ende gedacht worden. Die Videotagebücher waren natürlich viel fragmentarischer als dieser Film, aber das Lebensgefühl aus "Egoshooter" transportierten sie auch.


ABENDBLATT: Gab es für "Egoshooter" ein fertiges Drehbuch?

SCHWABE: Es gab ein 45seitiges Treatment mit etwa 90 Szenen, die teilweise bis in die Dialoge ausgeschrieben waren. Wir haben aber während der Dreharbeiten abends immer wieder zusammengesessen und neue Szenen entwickelt. Letztlich war klar, daß der eigentliche Film erst beim Schnitt entstehen wird.


ABENDBLATT: Wie sind die Schauspieler mit dieser recht spontanen Arbeitsweise umgegangen?

CHRISTIAN BECKER: Für sie war es teilweise schwierig, morgens plötzlich neue Dialogtexte zu bekommen. Speziell Tom Schilling war ein viel konventionelleres Arbeiten gewohnt, und wir mußten ihn schon von einigen unserer Ideen erst überzeugen. Aber er ist ein hochprofessioneller Schauspieler, und wenn er in eine Szene geschickt wird, bei der er nicht genau weiß, was von ihm erwartet wird, dann bohrt er nach. Das war auch für uns gut, weil wir gezwungen waren, ganz konkret auf den Punkt zu kommen.

SCHWABE: Bei den ersten Szenen, die er selbst drehte, mußte ich noch seine Hand an der Kamera führen, doch innerhalb einer Woche hatte Tom sich mit der Technik angefreundet.

BECKER: Er wurde regelrecht besessen, und als morgens eine Aufwach-Szene gedreht werden sollte, schlief er in der Nacht vorher sogar am Set.


ABENDBLATT: Hatten Sie Probleme, für ein so ungewöhnliches Projekt Fördermittel zu bekommen?

BECKER: Überhaupt nicht. Wegen seiner Videotagebücher wurde Oliver sogar angesprochen, ob er nicht einen Spielfilm zu diesem Thema machen wolle. Unser eingereichtes Treatment in Ich-Form und ein zehnminütiges Exposé kamen so gut an, daß wir uns ums Geld erst mal keine Sorgen machen mußten.


ABENDBLATT: Ist die Tatsache, daß Tom Schilling die Hauptrolle spielt, eine Art Versicherung, weil er eine gewisse Publikumsresonanz garantiert?

SCHWABE: Mag sein, aber wir haben das nicht geplant. Wir mußten jemanden finden, den man sich 80 Minuten lang angucken kann, und haben sehr viele Schauspieler und Laien gecastet. Natürlich ist es positiv, daß Tom kürzlich erst mit "Napola" in den Schlagzeilen war, und natürlich steht und fällt der Film jetzt mit ihm. Aber darüber haben wir uns vorher keine Gedanken gemacht.


ABENDBLATT: Wie geht's es für "Field Recordings" weiter?

BECKER: Die Postproduktion lief bis Ende 2003, dann war der Film auf den Festivals in Locarno, Gent, Hof, Göteborg und Malmö zu sehen. Jetzt suchen wir neue Stoffe, aber es ist natürlich nicht so, daß nach "Egoshooter" gleich 20 Produzenten auf einen zukommen.

 

 

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