Interview mit Christian Fleißner, Scheint, Modellverlag, 2000
Sind deine Bilder immer sprachlos? Ich meine, wie bei Verstärker, abgesehen von dem Anfeuerungsgebrabbel im Hintergrund, das man ja gar nicht versteht?
Ich gehe immer mehr dazu über Bilder ohne Ton zu zeigen; meine neue Arbeit ANIMAT_2000 ist schon völlig stumm. Mit Sound gibst Du sofort eine bestimmte Stimmung vor. Ich versuche das zu vermeiden, sehe das allerdings nicht dogmatisch. Der Sound zu "Verstärker" zum Beispiel hat für mich die Legitimation, weil er da aufgenommen wurde, wo auch das Bild entstanden ist. Aber jetzt eine Musik darüber zu legen, finde ich schwierig.
Aber kein Sound schafft ja auch was. Also entweder sitzt du dann in einer Leere drin...
... die auch bedrückend sein kann ...
... in der gewissermssen das Ideal präsentiert ist, oder du hast das ganze Gewicht der umliegenden Videoinstallationen mit dabei ....
... das war im Museum Ludwig so - nicht unbedingt förderlich für meine Arbeit. Wie gesagt, ich versuche meine Arbeiten so offen wie möglich zu halten, das ist mein Bestreben. Dabei ist es oft wichtig von ursprünglichen Ideen abzuweichen, um neue Kontexte zuzulassen. Der Schwimmer zum Beispiel hat Texte unter Wasser gesprochen. Man hörte nur das Geblubber, man hörte diese Stimme, du konntest teilweise auch die Worte verstehen. Das habe ich dann aber alles doch weggelassen.
Was hat er denn gesprochen? Das ist doch nicht wirklich ein Moment, in dem man zum Sprechen neigt?
Nein, das haben wir nachträglich aufgenommen. Ich habe ihn dann noch mal in das Becken hineingesetzt, er ist dann nicht geschwommen, sondern hat nur gesprochen. Obwohl mir die Idee gefällt, dass jemand dir etwas erzählt und du verstehst es nicht richtig. Es gibt von Bill Viola eine Installation, in der Menschen mit verbundenen Mündern zu sehen sind, die hinter diesen Mundbinden reden, völlig unverständlich reden. Dieses Bild fand ich sehr stark. Ich habe mich dann gegen diese Sprachfetzen entschieden - es ist spannender, wenn du es offen lässt. Natürlich kannst du "Verstärker" nur auf Technikkritik reduzieren. Aber: Mir geht es auch um diesen Moment, in einem Raum zu stehen, der dich dann plötzlich völlig umschliesst. Du kannst dieser monotonen Bewegung des Schwimmers zuschauen. Eine nahezu hypnotische Seherfahrung. Ich versuche Räume zu schaffen, in denen man auf sich selbst zurückgeworfen wird. Ohne das jetzt zu pathetisch zu meinen. Der "Animat" in Amsterdam zum Beispiel wurde grösst möglich auf die Stirnwand eines sehr hohen Raumes projiziert. Die Besucher wurden von dem übergrossen Gesicht fixiert und permanent angeschaut, eine eigentümliche Präsenz des Bildes beherrschte den ganzen Raum. Meist waren sehr viele Besucher gleichzeitig in diesem Raum. Die Leute haben immer ganz lange vor der Projektion gestanden, natürlich auch, weil die Installation einem Suchspiel gleicht, weil die Deformationen nur winzig sind, die im Gesicht passieren. Immer wieder stellt sich die Frage: war da jetzt was, war da nichts, was war da überhaupt? Die Installation spielt also bewusst mit einem Eyecatcher, einer kleinen optischen Sensation. Aber zugleich herrscht eine solche Präsenz, dass die Leute es aushalten, zu stehen und zu warten, obwohl doch vergleichsweise wenig geschieht. Das ist es, was mich interessiert.
Warum hat Dein Film "Notiz" diese Zeitangabe im Titel?
Das Video heisst "Notiz 75-93" ist aber 1997 entstanden. Es geht um einen Ort an dem ich als Kind viel gewesen bin. Ich bin damals sehr oft mit Kinder- und Jugendfreizeiten dorthin, nach Amrum gefahren. Zum ersten Mal 1975, ab 1988 habe ich dann selbst die Leitung der Freizeiten übernommen. 1993 waren wir zum letzten Mal in dem Haus, dass mittlerweile sich selbst überlassen zerfällt und kurz vorm Abriss steht. Eine sterbende Villa Kunterbunt mit all den Erinnerungen an die schöne Zeit dort. Mit "Notiz" habe ich dieses Kapitel für mich abgeschlossen. Ich kann da jetzt hingehen, ohne dass ich Weinkrämpfe bekomme, weil die gute alte Zeit vorüber ist. Viele von denen, die dort damals zusammen mit mir gearbeitet haben, können nicht mehr auf die Insel fahren, weil sie den heutigen Zustand dort so schlimm finden.
Aber du hast die Räume inszeniert für das Video, die sind nicht nur gefilmt?
Es handelt sich um vor Ort gefundene Sachen. Ich bin in das mittlerweile verlassene Haus eingebrochen und habe dann einen Tag und eine Nacht darin verbracht, habe da geschlafen und mit den Sachen, die dort lagen, was gebaut und das dann abgefilmt. Ich greife das drinnen/draussen Motiv auf, zum Einem das innere des Hauses, zum anderen der Körper, der sich diesen Turm baut, auf den er dann draufsteigt.
Du sagtes, es gäbe zwei Soundtracks zu dem Film, den ersteren hast du verworfen, da es zu gut funktioniert hatte - Was funktioniert denn da?
Es hat für mich funktioniert, weil ich sehr auf Musik reagiere - ich mag diese melancholische Unterstimmung. Das gibt es auch in manchen Popsongs - ich meine nicht expliziet "traurige" Musik. Zusammen mit den Bildern des verlassenen Hauses und des Menschen in der leeren Umgebung erschien mir die erstere Musik zu illustrativ.
Aber ist so ein "Funktionieren" nicht zu oberflächlich, zu beliebig oder einlullend?
Genau deshalb habe ich das ja geändert. Es wäre dann so funktional, zielgerichtet, fast Werbung. Man hat ein schönes Bild und schöne Sounds, alles passt und hat keine Ecken und Kanten mehr, Irritationen ausgeschlossen. Den jetztign Sound hat Dirk Specht komponiert.Dem habe ich gesagt: mach mal ein paar Störgeräusche, ich halt´s so nicht mehr aus!
Na Gott sei Dank, an solchen Stellen drehe ich sonst ziemlich schnell ab.
Genau, das war der Grund!
In"Verstärker" scheinst Du einen ähnlichen Bruch nicht über en Sound, sondern über ein Bild erzielen zu wollen, dass eigentlich überhaupt nicht zum Rest der Installation passt - wird so ein Bruch nicht schnell zusammenhangslos?
Ich habe alles ausprobiert. An dem Bild des Lampions, das meinst Du sicher, habe ich ein halbes Jahr gearbeitet, bis ich das hatte. Alles andere wurde in dem Zusammenhang der Installation plötzlich wieder superwichtig und irgendwelche nicht gewollte Richtungen wurden eingeschlagen. Und dann sind wir letztendlich auf die Sonne gekommen; ein Lächeln gegenüber der Anstrengungen des Schwimmers. Nach dem Motto "Alles wird gut" (lacht).
Findest du ihn bedrückend? Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Der Schwimmer hat so was Wissenschaftlich-Neutrales.
Aber der kommt doch nicht voran, der Arme.
Aber er bewegt sich ja auch in einem Umfeld, in dem es keine Ziele gibt. In einem gekachelten Becken gibt es die doch prinzipiell nicht. Also ist das Nichtvorankommen nur die reinere Form des Schwimmbeckens. Man w¸rde sich das Wenden sparen im Schwimmbad, wenn man so eine Gegenstromanlage hätte. Ich habe den Schwimmer nie als gequält empfunden. Schwimmen ist auch ein viel zu freiwilliger Akt, so daþ ich ihn nicht mal als Versuchskaninchen sehen kann. Wenn er verkabelt wäre, vielleicht ...
Das hatten wir alles vor, die Kabel gab es auch, aber das war einfach zu viel (lacht). Es ist immer interessant, wie wenig übrigbleibt, von der Ursprungsidee. Man muss aufpassen, dass man nicht zu sehr reduziert...
Hast du überlegt, den Schwimmer auch einmal ganz ohne Klang zu installieren?
Am Anfang war die Idee, diese Sprachsache im Ton zu haben, und das, was du jetzt hörst, ist von der Sprache übrig geblieben. Der Sound, der jetzt zu hören ist, besteht aus den regenerierten Geräuschen, die während der Filmaufnahmen im und ausserhalb des Beckens zu hören waren. Wir haben mit mehreren Mikrophonen und Tonabnehmern die Geräusche augezeichnet. Ich wollte diesen Raum schaffen, in dem du dich verlieren kannst und das funktioniert nicht zuletzt über das Hören. Bei der ursprünglichen Installation haben wir einen Holzboden gebaut, und dadurch, dass der Sound aus sehr tiefen Frequenzen besteht, hat der ganze Raum vibriert. Nicht ohrenbetäubend, aber du hast es im Bauch gespürt, eine physische Erfahrung. Ich mag diese Art von Sound sehr gerne. Ähnlich verhält es sich bei "Don´t bring a dog". Die ganzen Strassengeräusche, sind alles regenerierte Geräusche, die vor Ort in dem Moment da waren, als gefilmt wurde. Ich habe den Hi8-Ton genommen oder auch mit DAT-Recorder aufgenommen und die Töne dann bearbeitet, meist ganz simpel, nur am Avid-Schnittplatz, mit den Möglichkeiten, die es da gab.
Wie lange habt ihr gedreht im Schwimmbad?
Einen Tag inclusive Aufbau. Es gibt 3 Rollen Film, dreimal zehn Minuten.... der Schwimmer konnte dann auch nicht soviel hintereinander schwimmen. Ich habe ja bewusst jemanden genommen, der kein Schwimmer ist, wollte keinen Körperkult betreiben, sondern jemanden schwimmen lassen, der keinen muskulösen Schwimmerkörper hat. Wir haben über einen ganzen Tag verteilt gedreht. Auch in verschiedenen Strömungsstärken. Es gibt auch Bilder, die das Abtreiben des Schwimmers zeigen, die habe ich aber nicht in der Installation benutzt. Das hat sich in meiner Arbeitsweise gegenüber früher geändert. Ich probiere aus und weiss noch nicht genau, was am Ende dabei raus kommt. Als ich damals zur KHM kam, hatte ich vorher nur inszenierte, durchgestylte Fotografie gemacht.
Aber schon mit so einem Kunstverständnis?
Nö, ich hab einfach nur gerne inszeniert, hyperreale Räume geschaffen, bedeutungsschwangere Inszenierungen: z.B Leute in Embryostellung in der Natur ...sehr kitschig, aber so kitschig, dass es fast schon wieder schön war. Ich habe alles vorher aufgezeichnet, wie das aussehen musste, und so lange gearbeitet, bis das mit dem Bild in meinem Kopf übereinstimmte. Aber das fand ich dann irgendwann langweilig, weil ich es eigentlich, wenn ich es im Kopf hatte, gar nicht mehr zu machen brauchte. Das glich einem Abarbeiten. Jetzt arbeite ich eher mit einer vagen Idee, die offen ist, irgendwohin gehen kann, wobei ich nie genau weiss, was am Ende rauskommt. Das ist dann das Spannende.
Wie hast du mit dem "Verstärker" angefangen? Wieviel bestand da an Vorstellung?
Das Körperthema hat mich schon in meinen früheren Fotografien interessiert. Ich kann gar nicht genau definieren, wo es herkommt. Dann habe ich eine zeitlang viel Virilio gelesen. Im "Rasender Stillstand" beschreibt er eine Gegenstromanlage. Ich fand das Bild stark. Dann bin ich durch "Die Ästhetik des Verschwindens" auf den Astronauten in der Zentrifuge und den Flieger im offenen Doppeldecker gestossen, die beide in einer völligen Ruheposition mit einem wahnsinnigen Karacho durch die Gegend beschleunigt werden.
Du hattest Virilio im Kopf und hast dann die Gegenschwimmanlage gesucht. Was spielt denn diese ganze Theorie für eine Rolle? Es ist schon interessant: Einerseits erzählst du eine ganze Herkunft von Stimmungsbildern, und sagst über den "Verstärker", es gehe um ein Eintauchen, um eine atmosphärische Erfahrung für den Rezipienten, andererseits ist das Ganze auch gekommen durch Virilio, der ja nicht gerade ein Atmosphärischer ist. Ist das ein Fortschritt dem rein Atmosphärischen gegenüber?
Es ist nicht so, dass ich krampfhaft nach etwas gesucht habe, sondern es handelt sich um Sachen, die ich auch sonst lese, weil sie mich interessieren. Irgendwann kommt es dann dazu, dass sich Verschiedenes miteinander verbindet und was neues ergibt.
Wie kam es zum "Animat"?
Ich hatte irgendwann keine Lust mehr, mit Körpern zu arbeiten, und dachte, ich muss damit mal ein Ende finden und etwas machen, was das Ganze durch den Kakao zieht. Ich empfand es als befreiend, mal ein bisschen "Unsinn" zu machen. Aber darüber hinaus funktioniert es als Installation sehr gut.
Woher kommt denn dieser Körperbezug?
Eigentlich bin ich gar nicht so körperbetont... oder doch, ich bin mal einen Marathon gelaufen. Da hab ich viel trainiert, bin 120 km in der Woche gelaufen, das war schon eine besondere Erfahrung. Aber ich weiss nicht, ob es daher kommt. Ich greife ja eher auf diesen jungenhaften Körper zurück, da interessiert mich die Idee der Pubertät, vielleicht auch um mich selbst an meine eigene Jugend zu erinnern oder sie zu verarbeiten.
Bist du öfter Marathon gelaufen?
Nein. Ich habe das dann nie mehr geschafft, ich hatte seitdem nicht mehr soviel Zeit.
Du bist diese 42 km dann nur einmal komplett gelaufen?
Ja.
In was für einer Zeit?
4 Stunden 17, also nicht richtig schnell.
Das ist schon interessant. In deinen Arbeiten mit Körperbezug geht es ja immer auch um Aushalten. Und der Marathon ist eine Reinform davon.
Durch diese Monotonie kommst du in ganz andere Gemütszustände. Ab Kilometer 20 bist du weg. Und wenn du ins Ziel kommst, ist es wie ein Orgasmus, egal, ob Du eine gute oder schlechte Zeit gelaufen bist. Es funktioniert wie eine Droge.
Läufst du jetzt noch kürzere Strecken?
Ganz sporadisch. Ich schaffe es zeitlich nicht mehr. Ich bin die Jahre über einmal die Woche 10 km gelaufen, aber da passiert nichts. Interessant wird es erst bei längeren Strecken in Verbindung mit dem Ziel vor Augen, wieder einen Marathon zu laufen.
Es geht ja auch bei "Verstärker" um einen Grenzzustand, um eine Grenzerfahrung im weitesten Sinn - für die zwei Leute auf den Monitoren - aber auch um diese völlige Ruhe, das Nichtvorwärtskommen. Dadurch kriegt es auch etwas Meditatives, man kommt in so einen Zustand, der jenseits von Reflexion liegt. Hat das für dich eine Parallele? Setzt der "Verstärker" symbolisch etwas um, was du beim Marathon unmittelbar erfährst?
Nicht bewußt. Es war nicht geplant, so etwas wie einen Marathon in meine Arbeit zu übersetzen. Was mich bei den beiden Monitoren interessiert, ist dieses Ausgeliefertsein, dass man in etwas drin ist, was man aushalten muss, aber gar nichts dagegen tun kann. Du machst eigentlich selbst überhaupt nichts. Un-Orte eben. Das habe ich auch in "Don´t bring a dog" mit Sonic Youth aufgegriffen. Die fliegen sehr viel, und befinden sich dabei in einer zeitfreien Zone, da können sie wunderbar arbeiten, wie Lee Ranaldo sagt, weil es dort keine Echtzeit mehr gibt. Herausgelöst aus dem Dasein, ohne das spirituell deuten zu wollen. Was mich in dem Zusammenhang an Musik interessiert ist, dass da Leute an ihre Grenzen gehen, mit einer Vergewisserung: ich bin hier, ich kann schreien und trampeln und mich aufschneiden. Wenn ich zum Beispiel an Iggy Pop denke. Das fand ich immer schon faszinierend, auch auf Konzerten, wenn Leute transzendieren und weg sind und das dann nicht mehr unter Kontrolle haben. Da guck ich halt immer gerne zu (lacht).
Es ist heute auch ein verbreitetes Phänomen, dass man zuguckt, dass und wie Leute an ihre Grenzen gehen.
Obwohl das in der Musik nicht mehr so ist, weil es kaum noch echt ist, es ist inszeniert. Wenn du früher in Punk-Clubs warst, dann hattest du das Gefühl von Authentizität, das hast du heute nicht mehr.
Aber man hat es heute im Sport mit den ganzen Extremsportarten, was ja auch wieder medial verbreitet wird. Sicher machen heute viel Bungeejumping, aber es gibt noch viel mehr, die sich im Fernsehen Sendungen darüber anschauen. Und es geht viel mehr um das Zugucken.
Aber was mich bei der Musik interessiert, ist, dass es noch mehr mit der Person zu tun hat, die da steht. Iggy Pop kehrt ja sein Innerstes nach aussen, während es beim Bungeejumping eher ein kollektiviertes, konfektioniertes An-die-Grenzen-Gehen ist. Es hat ja nichts mehr mit dem Individuum zu tun. Ich guck mir auch kein Olympia an. Es ist schon interessant, wenn die da laufen, aber es läßt mich kalt.
Schaust du Boxen?
Nö, du?
Gelegentlich, seit ich im Fernsehen einen grossen Kampf gesehen habe, Lewis gegen Holyfield. Das sind zwei ganz Grosse. Und das war völlig irre. Wenn man sieht, wie diese reinen Energiepakete soviel einsetzen, dass sie nach wenigen Minuten ineinander verkeilt bewegungslos stehenbleiben, aneinander hängen, nicht mehr auseinanderkommen, obwohl sie doch kämpfen wollen. Da merkt man, was für eine Energie die gerade zwischen sich verschieben. Und der Ringrichter muss sie auseinandernehmen und ihnen klarmachen: hey, ihr lebt noch ... So einen guten Kampf habe ich auch nie wieder gesehen. Na, Themenwechsel. Wie bist du denn auf die Architekturfotografie gekommen?
Der Fotograf, bei dem ich gelernt habe, Hans Georg Esch, der ist auf Architekturfotografie spezialisiert. Das liegt auch gar nicht soweit von dem weg, was ich sonst mache. Also gestern zum Beispiel stand ich 8 Stunden vor einem Haus und hab auf den richtigen Sonnenstand gewartet. Das ist genial, das ist, als wenn du vor irgendeiner Installation stehst. Man kriegt einen anderen Bezug dazu. Du siehst die ganzen Lichtwandlungen, wie es immer wieder anders aussieht. Es hat etwas sehr Meditatives. Und du bist von Witterungsumständen abhängig auf die du reagieren musst. Du lernst, nach dem Wetter zu gucken. Man ist irgendwie ausgeliefert und muss sich dann fügen, das ist oft sehr befriedigend. Ausserdem, wenn du Architekturfotografie machst, bist du draussen, hast nur einen Assistenten und kannst dir den ganzen Tag selbst einteilen, bist selbständig. Ich versuche bei meinen Filmarbeiten ja auch immer, die Anzahl der beteiligten Leute zu reduzieren.
Den Schwimmer hast du ja auf 16mm-s/w-Film gedreht, in der Installation kommt er aber doch von Video. Hat das für dich eine Bedeutung, ob es Video oder Film ist?
Sobald du mit einem 16mm-Projektor einen Loop machen willst, hast du soviel Technik am Hals, und die wird dann zu wichtig, du kannst sie fast nicht mehr verstecken, und das wurde mir dann zuviel. Und weil ich das Material für die kleinen Monitore auch auf Video hatte, habe ich letztendlich alles damit gemacht und das 16mm Material auf Video abgetastet. Trotzdem sieht das Schwimmerbild nach alt aus. Man weiss nicht genau, wann es gedreht wurde. Das war auch die Idee und da war es mir egal, ob das Video oder Film ist. Ich mag es, dass meine Installationen einfach aufzubauen sind. Da kannst du überall mit deinem Tape hingehen und es zeigen.
Wie lange ist denn der Loop des Schwimmers in "Verstärker"?
Nach zehn Minuten gibt es eine kleine Überblendung. Beim "Animat" ist es eine halbe Stunde. Man fragt sich immer, wie lange man einen Loop machen soll, wie lange die Leute davor stehenbleiben. Meistens macht man ihn zu lang.
Bis jetzt aussen vor geblieben ist das Wissenschaftliche an der Arbeit. Beim "Animat" ging es um einen Körperblick, der etwas Untersuchendes hat, beim "Verstärker" auch.
Ich mache das, um zu entmystifizieren, um nicht wieder nur ein schönes Bild zu haben, sondern um es zu versachlichen und es herunterzuschrauben. Es nackt zu zeigen, wie es ist, und es nicht, durch Farbe vielleicht, zu schönen. Der "Animat" soll wie ein Medizinvideo aussehen, samt der Durchnumerierung, als ob es Fallstudien wären. Mit dem Schwimmer aus "Verstärker" habe ich schon früher eine Arbeit gemacht, "Levitativer Taumel des Usurpaten". Zu sehen ist er scheinbar aufrecht stehend, aber bei der Aufnahme steht er eigentlich auf dem Kopf. Die Proportionen stimmen nicht, es sieht ein bisschen komisch aus, aber man weiss auf den ersten Blick nicht, warum. Das Bild ist als Foto lebensgross, auf Klarfilm vergrössert, ein durchsichtiger Träger, fast wie eine Röntgenaufnahme. Auch hier interessiert mich das Innere nach Aussen zukehren, den Druck des eigen Körpers zu spüren, so sachlich wie möglich inszeniert.
Aber das ist eigentlich nicht mehr sichtbar. Gerade durch den Titel hat man nicht mehr den Eindruck, der Mann würde auf dem Kopf stehen, sondern er schwebe in einem schwerelosen Zustand und sei deswegen so deformiert.
Genau darum geht es ja auch!
Warum heisst der "Verstärker" "Verstärker"?
(Lacht) Nicht nur wegen der Band "Blumfeld". Im Englischen heisst Verstärker Intensifyer, das ist noch treffender. Es ist eigentlich auf den Raum bezogen, dass man, wenn man in ihm steht, auch auf sich selbst zurückgeworfen wird, dass man eigene Gefühle, bzw. sich selbst verstärkt wahrnimmt.
Aber passiert das dann tatsächlich, sehe ich da nicht zu sehr einen Fremden? Indem ich einen ganzen Körper sehe, habe ich auch zwangsläufig einen Blick auf etwas Distanziertes. Ich kann einen ganzen Körper nur sehen, wenn es nicht meiner ist, oder in einem Spiegel. Zudem sehe ich ihn schwimmen, während ich im Trockenen stehe, er ist förmlich in einer anderen Welt. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich da so auf mich zurückgeworfen werde.
Das Bild hat man ja relativ schnell begriffen. Da schwimmt einer und kommt nicht voran, aber dann hat es diese Faszination, dass du trotzdem noch hinguckst. Und während du da hinguckst, denkst du ja nicht mehr über den Körper nach, der da schwimmt. Wie im Kino, bei einem guten Film, da bin ich meistens auch woanders. Und das war eigentlich mit dem Titel gemeint. Ich weiss, dass ich mich auf wackeligen Terrain bewege, wenn ich so etwas erkläre. Denn es gibt in der Kunst auch den Fall, dass man sich hinter einer aufgebauschten Theorie versteckt, und wenn ich sehe, was dann übrig bleibt, berührt mich das wenig. Ich finde es schön, wenn Lieschen Müller ins Museum geht und auch etwas mit meiner Arbeit anfangen kann. Nicht, dass ich den Anspruch habe, dass es jeder verstehen muss, aber dass jeder einen Zugang finden kann, sei es auf einer ästhetische Ebene, einer inhaltlichen oder auch nur mit einem "guck mal, er kommt ja nicht voran". Ich versuche ehrlich zu bleiben, also zu sagen wie ich es mir denke und vorstelle, weiss aber auch, dass das gegen mich verwendet werden kann. Du bist verletzbarer als der, der sich hinter einer Theorie versteckt. Ich bin ein Bauchmensch, gebe mich aber, wenn ich eine Idee habe, nicht nur mit dem Bauch zufrieden, sondern suche nach Verbindungen, um zu neuen Ergebnissen zu kommen. Man läuft mit einer Idee schwanger, irgendwann macht es klick, und man hat eine Verknüpfung gefunden, die etwas neues ergibt. Das ist der beste Augenblick, wenn die Grundlage steht und du daran arbeiten kannst.
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